Im Kontext dieser Reihe von Artikeln über die zehn Großen Kosmischen Kräfte werden wir die grundsätzlichen philosophischen und praktischen Aspekte, die sich auf die tiefgründige spirituelle Tradition der zehn Großen Komischen Kräfte (Dasha Mahavidya) beziehen, auf synthetische Weise analysieren und belegen. Im Grunde verkörpert diese Tradition in Wahrheit eine tantrische spirituelle Paxis (Tantra Sadhana) mit dem Ziel, eine „magische“ Kontrolle über die subtilen Kräfte und Energien zu erlangen, die ununterbrochen sowohl den Mikrokosmos des menschlichen Wesens als auch den Makrokosmos in seiner Mannigfaltigkeit aller Aspekte beleben und antreiben, durch die im Glauben begründete Verbindung zu einem oder mehreren der zehn Aspekte (der Großen Kosmischen Kräfte) der Göttlichen Äußerung in der Manifestation.
Das Fundament dieser tantrischen spirituellen Praxis, die geheim und dem profanen Wissen verborgen ist, begründet sich in der Idee, die Tests und Schwierigkeiten des Lebens nicht durch Isolation und das Zurückziehen an einsame, der Welt abgewandte Orte zu vermeiden, um die spirituelle Perfektion zu erlangen. Ganz im Gegenteil: die tantrische Tradition stellt fest, dass Mahavidya Upasana (in anderen Worten, die vollkommen glühende und hingegebene Verehrung der zehn Kosmischen Kräfte) sich eignet, in unserem täglichen Leben praktiziert zu werden und bietet dadurch die Möglichkeit, alle Probleme, Schmerzen oder Leiden, mit denen die meisten Menschen konfrontiert sind, zu kontrollieren und dann vollständig zu transzendieren.
Diesbezüglich legt die tantrische Tradition (tantra shastra) verschiedene Methoden und Techniken dar, die praktisch für alle Umstände und menschlichen Typologien passen. Deshalb ist es nicht nötig, außerhalb des Bereiches der sozialen Aktivitäten unseres täglichen Lebens nach Methoden oder Werkzeugen der spirituellen Transformation zu suchen. Es genügt, wenn wir die Aktivierung so vieler erhabener und harmonischer Aspekte unserer höheren Natur verfolgen, danach strebend, jeden unserer wohltuenden und positiven Wünsche durch das Anheben und die Sublimierung der subtilen Energien, die ihn beleben, zu erfüllen. Der Zweck ist einerseits die Erfahrung eines vollständig verfeinerten Genusses, der nun im Feuer der Sublimierung heilig wurde, und andererseits auch der endlosen spirituellen Seligkeit und Befreiung, die alle Aspekte der Schöpfung transzendiert. Daher richtet sich die tantrische spirituelle Praxis nicht nur an die Eingeweihten, da sie jedem menschlichen Wesen, das leidenschaftlich nach Befreiung strebt, erstaunliche Möglichkeiten spiritueller Verwirklichung bietet.
Tantra ist keine Hexerei
Nichtsdestotrotz sind die tantrischen Texte voller kryptischer Formen, Metaphern und Allegorien, die für jene, die in das Geheimnis dieser spirituellen Praxis nicht eingeweiht sind, unüberwindbare Hindernisse darstellen. Dies erklärt das falsche Verständnis und die fehlerhafte Vorstellung, die die Meinung vieler angesehener Forscher und Orientalisten prägt. Diese Fehler begründen sich hauptsächlich im Unverständnis der sehr okkulten Sprache und weiterhin in den Abläufen der Vorgänge und Stadien des spirituellen Trainings, die in zahlreichen tantrischen Arbeiten und Texten erwähnt werden, von denen viele über die zehn Großen Kosmischen Kräften (Dasha Mahavidya) handeln. Die grundsätzlich falsche Vorstellung der Menschen vom tantrischen System, eine Vorstellung, die von einer immensen Ignoranz ihrerseits zeugt, stimmt überein mit dem Gedanken, Tantra wäre mit einer Vielzahl „abscheulicher Praktiken“ assoziiert, unter denen Opferrituale und orgastische sexuelle Praktiken usw. erwähnt werden. Tatsächlich können tantrische spirituelle Lehren auf sehr bedeutsame Weise als ein glorreiches Transzendieren aller phänomenalen Beschwerlichkeiten beschrieben werden, was sie zu einem tiefgründigen, nicht-dualistischen (advaita) philosophischen und religiösem System macht. Daher hat authentische tantrische Spiritualität nichts mit Hexerei oder Magie zu tun, wie sie von gewissen außenstehenden Sekten oder Gruppen praktiziert werden, deren abweichenden und manchmal makaberen Praktiken ungerechterweise mit der tiefgründigen spirituellen Lehre des Tantra verwechselt wurden.
Sie führen alle zu Gott
Das Ziel der spirituellen Verwirklichung durch die tantrische Sadhana ist der Zustand der vollständigen Verschmelzung mit der Höchsten Realität von Gott dem Vater, dessen Natur Sat-Cit-Ananda (Reine Existenz – Reines Bewusstsein – Reine Glückseligkeit) ist. In der tantrischen Tradition wird diese Natur der göttlichen Realität Cit genannt und bezeichnet aus einer bestimmten Perspektive die unendliche Kraft oder Stärke des Bewusstseins Gottes, in der Manifestation als die zehn Großen Kosmischen Kräfte ausgedrückt. Auf einer transzendenten Ebene ist Cit (oder das Absolute Bewusstsein Gottes) wie ein „harter und kompakter Monolith unendlicher Herrlichkeit“. Nichtsdestotrotz wird dieser wesentliche Charakter im Kontext der Schöpfung differenziert, unter dem Aspekt einiger bestimmter Merkmale und Ausdrücke wie zum Beispiel Maya (die Kraft der Illusion, die die tatsächliche Realität aller Dinge in der Manifestation „verschleiert“). Tatsächlich ist die Höchste Realität (Sat-Cit-Ananda), die sich jenseits jeglichen konzeptuellen Merkmals oder Verständnisses befindet, durch den Aspekt der Dynamik der Göttlichen Bewusstheit als Kraft (Cit) in endlicher und festgelegter Form in die Schöpfung projiziert.
Aus diesem Blickwinkel betrachtet stellen die Großen Kosmischen Kräfte (Mahavidya) nichts anderes dar als „Spiegelungen“ von Cit, die als göttliche Ideen oder Ausdrucksweisen die Schöpfung formen und somit universeller Natur sind. Sie werden als weibliche göttliche Wesen betrachtet, deren Bewusstsein sehr nah am Bewusstsein von Gott dem Vater ist, sie sind wie fundamentale „Verwalter“ der göttlichen Schöpfung. Aus diesem Grund ist ihre Natur eher subjektiv als objektiv (in anderen Worten, die Wahrnehmung ihres Einflusses und ihrer Manifestation erfährt man vorrangig im subtilen Feld des Bewusstseins).
Dennoch befinden sich im Hindu Pantheon viele Darstellungen dieser großen weiblichen Gottheiten, die auf symbolische Weise jede ihrer grundsätzlichen Eigenschaften und Charakteristiken in der makrokosmischen Manifestation verbildlichen. In der tantrischen spirituellen Praxis stellen die physischen Aspekte oft einen wichtigen Startpunkt auf dem Weg der schrittweisen Erhöhung des individuellen Bewusstseins dar. Neben den zahlreichen ikonographischen Darstellungen und graphischen Symbolen (Yantra, Mandala) gibt die tantrische Tradition der Verehrung der zehn Großen Kosmischen Kräfte und der geheimen Technik, die als „die fünf M“ (die fünf Makara) bekannt ist, eine besondere Bedeutung. Der Buchstabe M (Makara) ist der erste Buchstabe in der Sanskrit Terminologie, der jene fünf Objekte bestimmt, die die Elemente der Natur (pancha-tattva) symbolisieren.
Der tiefgründige spirituelle Zweck dieser Technik ist, beginnend auf der körperlichen Ebene (mit den dazugehörigen charakteristischen Elementen), der schrittweise Zugang des individuellen Bewusstseins, durch Sublimierung und vollständige Resonanz mit den archetypischen Aspekten dieser Elemente, zum transzendenten Bewusstseinszustand der vom Tantriker verehrten Großen Kosmischen Kraft. Dann wird es durch einen endgültigen frenetischen, spirituellen Elan, (durch die überwältigende Gnade von Gott dem Vater, der in der tantrischen Tradition mit Paramashiva identifiziert wird) möglich sein, Zugang zur Transzendenten Höchsten Leere, dem Ursprung und der Quintessenz jeglicher manifestierenden göttlichen Energie, zu erhalten. Das Prinzip, das hier angewendet wird, ist also das Prinzip der schrittweisen Anhebung des individuellen Bewusstseins, ausgehend von den niedrigeren Ebenen der Manifestation bis zur erhabenen und umfassenden Erfahrung der göttlichen Transzendenz, ohne auf dem Weg dieser Vervollkommnung irgendeinen Aspekt des täglichen Lebens auszuschließen oder zu verbieten.
Das Geheimnis der Perfektion liegt in dir
Diese Herangehensweise der spirituellen Praxis und Erfahrung innerhalb des Systems der Verehrung der zehn Großen Kosmischen Kräfte ist jedenfalls von einzigartiger, holistischer Natur, in der sich die einzelnen Teile des Ganzen (in anderen Worten, die verschiedenen Elemente und angewandten spezifischen Verfahren und der sie bestimmende Bewusstseinszustand) auf harmonische Weise durchdringen, um das Gesamtbild zu ergeben. Dieser Aspekt wird durch das Erwecken und Aufsteigen der unendlichen kosmischen Kraft, dir wir in unserem Wesen hauptsächlich als Kundalini Shakti kennen, besonders offenkundig. Kundalini befindet sich auf der Ebene des Muladhara Chakra vielleicht nur in einem latenten Zustand (nicht dynamisch aktiviert), oder sie wird in der subtilen Struktur unseres Wesens aktiviert (zum Beispiel durch die spirituelle Praxis der Verehrung einer der Großen Kosmischen Kräfte, einer Verehrung voller Streben und Glauben) und reinigt, aktiviert auf dynamische Weise und hebt so alle entsprechenden Bewusstseinsebenen (Chakra) bis auf die Ebene von Sahasrara Chakra (der Scheitelbereich). Diese Polarisierung durch die Aktivierung von Kundalini hat allerdings einen entgegengesetzten Aspekt im Inneren des menschlichen Wesens. So ist das menschliche Wesen, wenn Kundalini Shakti auf der Ebene des Muladhara Chakra (am unteren Ende der Wirbelsäule) „schläft“, in der Außenwelt, die hinsichtlich der Transzendenten Höchsten Realität illusorisch und vergänglich ist, „wach“. Ist Kundalini hingegen „erweckt“ und wird dynamisch, aufsteigend und vereinigt sich letztendlich auf der Ebene von Sahasrara mit dem Höchsten Bewusstsein von Shiva, welches hier von statischer Natur ist, dann wird der Yogi der Außenwelt gegenüber „tot“, wird aber gleichzeitig erstaunlich klar und wach in Bezug zur Göttlichen Realität, mit der er völlig identifiziert ist.
Jede der zehn Großen Kosmischen Kräfte (Kali, Tara, Tripura Sundari, Bhuvaneshvari, Tripura Bhairavi, Chinnamasta, Dhumavati, Bagalamukhi, Matangi und Kamalatmika) hat ihre eigene spezifische Sadhana, aber diese beinhaltet als Synthese drei grundsätzliche Elemente:
1) Verehrung des Bildes der Göttin (der Großen Kosmischen Kraft, die zur Verehrung ausgewählt wurde);
2) Fokussierung auf ihr Yantra (die geometrische Repräsentation, die mit dem subtilen Energiefeld des Einflusses der entsprechenden Großen Kosmischen Kraft korrespondiert); 3) mentales Aussenden (Laya oder Japa Yoga) des Mantras, das mit der Kosmischen Kraft verbunden ist.
Die Verehrung der Großen Kosmischen Kräfte (Mahavidya Upasana) sollte nicht mit einer anderen Reihe weiblicher Gottheiten, Matruka genannt, verwechselt werden. Einerseits gibt es zehn Große Kosmische Kräfte (Mahavidya), während es sieben oder acht Matrukas gibt (abhängig vom traditionellen Kult der jeweiligen Region): Mahesvari, Vaishnavi, Brahmani, Kaumari, Indrani, Narasimhi und Varahi. Andererseits repräsentieren die Großen Kosmischen Kräfte die gigantischen Bewusstseinssphären der göttlichen Energie, die in ihrer Manifestation den gesamten Makrokosmos umfassen, während die Matrukas die weiblichen Kräfte (in der orientalischen spirituellen Tradition werden sie Gemahlin genannt) der wichtigsten Götter des Hindu Pantheon repräsentieren.
Nachdem wir jetzt einige grundlegende Beziehungen der tantrischen Konzepte und der spezifischen spirituellen Praxis der zehn Großen Kosmischen Kräfte (Mahavidya) erläutert haben, werden wir in anderen Artikeln über Maha Vidya Yoga prägnant und analytisch die grundsätzlichen Charakteristika und Einflussbereiche jeder dieser großen Gottheiten aus der tantrischen Tradition präsentieren.